Als Leitmotiv sehe ich dabei ganz klar die Täuschung der Öffentlichkeit, über den Versuch die Radikalpositionen und Agenda von Frauke Brosius-Gersdorf als mediales Missverständnis („ich bin kein Medienprofi (FBG bei Lanz) und als akademische Selbstverständlichkeit in der Welt der „ich bin Wissenschaftlerin“ Rechts- und Verfassungsfachfrau Prof. Brosius-Gersdorf runter- bzw. weich zu framen.
Frauke Brosius-Gersdorf Auftritt bei Lanz kann man dabei schon jetzt getrost als instant classic bezeichnen. Ein von A bis Z medien- und politikorientierter, komplett durchgescripteter Auftritt, der eine klare Strategie verfolgt.
Ich möchte im Folgenden die Ingredienzien vertieft analysieren.
A Gefühligkeitsduselei und unsägliches Spielen der Opferkarte
Das Hauptproblem „unserer Demokratie“ ist ja momentan das Denk- und Kooperationsverbot gegenüber der AfD. Dieser wird wahlweise mit einer vermeintlichen Verfassungsfeindlichkeit begründet oder damit, dass die AfD durch das ständige Spielen der Angst- und Opferkarte den Zusammenhalt in der demokratischen Gesellschaft nachhaltig schwächt. Während der erste Punkt ja aus meiner Sicht klar die hidden agenda der SPD-Nominierungen – wenn das Verfassungsgericht die AfD verbieten würde, könnte uns nur noch Europa retten, ist der zweite Punkt gar nicht völlig falsch. Es gibt Personen und Kräfte in der AfD, die auf die Angstkarte setzen und den permanenten Opfergestus optimiert haben.
Und zwar weil dies medial und damit oft auch innerparteilich so gut funktioniert. Aber dieses Muster hat die AfD ja keineswegs exklusiv, sondern ist eine Kernschwäche „unserer Demokratie“: Jeder, der den momentanen deutschen Binnendiskurs ehrlich bilanziert, sieht, dass die Opferkarte, ähnlich zu der Angstkarte eigentlich von allen Seiten ständig missbräuchlich gespielt wird.
Und deshalb überrascht es natürlich auch kein bisschen, dass Frauke Brosius-Gersdorf und ihre Unterstützer dieser Versuchung auch nicht widerstehen können. Angst, Opfer und Schuld – die perfekten Ingredienzien zur Vermeidung von harten inhaltlichen Diskussionen.
Und so kommt dieses toxische Gebräu in dem viel zu langen, langatmigen 55-minütigen Gespräch von Markus Lanz mit Frauke Brosius-Gersdorf immer wieder hoch.
Natürlich als mediale Eröffnung, nach einem Framing-Rückblick-Einspielfilmchen: Die neudeutsch-gefühlige Standard-Eröffnung kann sich Markus Lanz nicht verkneifen: „Wie geht’s Ihnen, wenn Sie diese Bilder sehen“?
Eigentlich hätte die Sendung schon hier beendet sein sollen, denn das Letzte, was für das deutsche Volk in der momentanen Krisensituation wirklich wichtig ist, sind die Gefühle einer Kandidatin für das höchste Richteramt im Staate.
Aber natürlich war das eine Gefälligkeitseröffnung für den Vollprofi FBG und sie hat dies routiniert mit Stichworten „Kampagne“, „betroffen“, „ganz schwierig“, „ohne Hilfe meiner Freunde und Familie hätte ich das nicht geschafft“ usw. usw. nach Hause gefahren.
Dabei ist der Kampagnenvorwurf und die Opferstilisierung angesichts der radikalen Positionen von FBG im Grunde unglaublich perfide und hoch toxisch.
Es wäre vollkommen hanebüchen, dass Lebensschützer, insbesondere die katholische Kirche oder auch die Gegner einer staatlichen Zwangsimpfung, insbesondere für Kinder oder die Verteidiger der traditionellen Familie, wo die Eheleute ohne staatliche Einflussnahme ihr Zusammenleben organisieren oder auch die Mitglieder, Mandatsträger u Wählerinnen und Wähler der AfD, dass all diese gesellschaftlichen Gruppen, deren Werte und Haltungen von Frauke Brosius-Gersdorf frontal angegriffen werden, die Wahl einer solchen Radikaljuristin einfach unkommentiert durchlaufen lassen.
Wir leben schließlich in einer offenen und freien Gesellschaft.
Natürlich sind persönliche Anfeindungen oder Herabwürdigungen absolut indiskutabel. Aber wir reden hier auch von etwas, was Joschka Fischer mal als die „Todeszone“ (ein Begriff aus der Hochalpinistik) bezeichnet hat – die Luft ist dünn und es wird mit sehr harten Bandagen gekämpft.
Das nennt sich übrigens freiheitlich-demokratische Grundordnung. Und im harten politischen Wettbewerb kann auch mal ein Gefühl belastet werden oder Schaden nehmen.
B Medienschelte und Angriffe auf die Kritiker
Frauke „ich-bin-kein-Medienprofi“ Brosius-Gersdorf nutzt als zweite Taktik das altbewährte „Angriff-ist-die-beste-Verteidigung“ und geht zum Gegenangriff über: Medienschelte und Angriff auf die Kritiker.
Die Medienschelte ist zwar gut juristisch abgesichert: „nach meinem Empfinden in Teilen der Medien, von Einzelnen (…) unvollständig, unsachlich, teilweise falsch“. Trotzdem finde ich das für eine designierte Verfassungsschützerin sehr heftig. Eine Richterin am Verfassungsgericht darf nicht den Schimmer eines Verdachts zulassen, dass sie die Presse- und Meinungsfreiheit in diesem Land nicht voll respektiert.
Als Zweites greift Frauke Brosius-Gersdorf ihre Kritiker an, insbesondere Stimmen aus der katholischen Kirche. Dabei ist ihre Wortwahl wieder scharf: „was ich besonders verstörend finde“, „ich finde das infam“. Auch hier sind die „ich-bin-kein-Medienprofi“-Worte zwar legalistisch abgesichert, aber aus meiner Sicht politisch-kommunikativ unglaublich aggressiv: „es ist mir ein inneres Anliegen als Mensch (…), ich möchte einfach daran erinnern, dass auch Vertreter der katholischen Kirche an die Verfassungswerte unseres Grundgesetzes gebunden sind und damit auch an meine Menschenwürde und mein Persönlichkeitsrecht“.
Juristerei war nicht Teil meiner akademischen Ausbildung als Physiker. Und im Gegensatz zu Frau Prof. Frauke Brosius-Gersdorf bin ich auch nicht geprägt durch das sehr spezielle Biotop der deutschen verbeamteten Hochschullehrmaschinerie. Trotzdem oder gerade deshalb finde ich, „als Mensch“, dass obige FBG-Worte wie eine glasklare Drohung in Richtung der Kirche (und der anderen Kritiker ihrer Positionen) klingen oder sagen wir mal klingen könnten. Und im Gegensatz zu Kommunikation sind Gerichtsurteile nicht das, was beim Empfänger ankommt, sondern das, was der Absender sendet.
Selbst wenn Frauke Brosius-Gersdorf selber „glaubt“ (oder sich einredet), dass sie „kein Medienprofi“ sei: Das mediale Handwerkzeug nach Niccolò Machiavelli beherrscht sie schon sehr souverän: „ich betone, dass es sich hier nur um einzelne Medien und Journalisten handelt“.
C Versuch der Umkehrung der Debatte
Für mich der wirkliche Tiefpunkt des Gesprächs ist der Versuch von Frauke Brosius-Gersdorf, die Realität umzudeuten und die Kritiker als die eigentlichen Extremisten zu brandmarken.
Trotz glasklarer radikaler Haltungen („Pflicht zur Impfpflicht“, Positionen zur Abtreibung, zum AfD-Verbotsverfahren) postuliert Frau Professor Brosius-Gersdorf dreist, dass ihre Positionen die Mitte der Gesellschaft abbilden. Und es deshalb besonders schlimm sei, dass es den heftigen Widerspruch gegen den Versuch gegeben hat, sie nach Karlsruhe zu berufen.
Das kann man angesichts z.B. der Denkfigur, dass Ungeimpfte für die Behandlungskosten von Geimpften (aber trotzdem erkrankten) aufkommen sollen eigentlich nur als bizarr bezeichnen.
D Das Verstecken hinter ihrer Rolle als Wissenschaftlerin
Eine offenkundige Strategie von Prof. Frauke „ich-bin-kein-Medienprofi“ Brosius-Gersdorf war die Verteidigung ihre bisherigen, gesellschaftlich hochgradig strittigen Positionen als quasi akademische Standard- oder Fingerübung.
Sie eröffnet dabei recht geschickt und sachgerecht mit der klaren Ansage, dass die Rolle als Rechts- u Verfassungswissenschaftlerin und die Rolle als Verfassungsrichterin völlig unterschiedlich und absolut klar zu trennende Rollen sind und sein müssen.
So weit, so gut und richtig.
Dann aber fängt Frauke Brosius-Gersdorf an, die Rolle „als Wissenschaftlerin“ überzubetonen. Nun muss man sich klarmachen, dass Rechtswissenschaft im Gegensatz zu Naturwissenschaften, Technik, Medizin, selbst Geschichte und Politologie eine hochgradig subjektive Wissenschaft ist – letztlich geht es, ganz ähnlich wie beim Anwalt, der auf Biegen und Brechen versucht, das Interesse seines Mandanten zu vertreten, darum, eine Position zu verteidigen, bzw. durchzusetzen, die politisch gewünscht ist.
Rechtswissenschaft, insbesondere wie Frauke Brosius-Gersdorf sie betrieben hat, ist das Vordenken von politisch-juristisch zuzusetzenden gesellschaftlichen Großveränderungen. Und die Konzepte von FBG sind teils atemberaubend radikal (und deshalb wiederhole ich sie auch): Verfassungspflicht zur Einführung einer allgemeinen Impfpflicht und Beteiligung von Nichtgeimpften an den Behandlungskosten für die Schäden von Geimpften.
Wie man behaupten kann, dass diese Radikalpositionen irgendetwas mit der Mitte der freiheitlich-demokratisch Gesellschaft zu tun haben, bleibt für mich das Geheimnis von Prof. Frauke Brosius-Gersdorf. Nach meiner Sicht passen diese Art Ideen viel besser als legalistische Scheinlegitimierung von Herrschaftssystemen, wie in der VR China oder in Nordkorea.
Der Punkt ist letztlich der Dreh- und Angelpunkt der Gegenkampagne: Es ist zwar ein guter Versuch der Verteidigung, aber trägt natürlich nicht. Auch für solch ein radikales Vordenken bedarf es einer inneren Haltung und die scheint bei Frauke Brosius-Gersdorf ganz weit auf der linken Seite und ganz nah an einem Quasi-Staatserziehungsdiktatur-Weltbild zu sein.
Und hat, finde ich, im Verfassungsgericht nichts verloren.
Natürlich müsste jeder Christdemokrat sämtliche politischen und moralischen Werte über Bord geworfen haben, wenn er oder sie in einer geheimen Wahl und Gewissensentscheidung Frauke Brosius-Gersdorf eine Stimme geben würde – diese Professorin ist für jeden, der nicht aus einer Stamokap-SPD oder maoistisch/trotzkistischen K-Gruppen-Grünen-Prägung kommt, absolut unwählbar.
Wie geht es weiter?
Interessanterweise kommt das längliche und anstrengende Gespräch zu einer überraschend einfachen Konklusion:
Zwar kommt zum Schluss ein erneuter, ziemlich weinerlicher Verweis auf die Meinungsfreiheit und eine völlig unnötige Drohkulisse („wir müssen sehen, was es mit „unserer Demokratie“ macht, wenn wir einer solchen Kampagne nachgeben“, sogar das völlig abseitige Wort einer möglichen „Staatskrise“ fällt). Trotzdem klingt der offenkundige und hoffentlich am Ende auch begangene Ausweg in den letzten Sätzen zumindest an: Nämlich, dass Frau Professor Brosius-Gersdorf zurücksteckt und ihre radikalen Ansichten weiterhin vor allem in ihrer akademische Denkschmiede pflegt.
Wenn dies hoffentlich so kommt, dann wird vielleicht auch die SPD wieder nach geeigneten Persönlichkeiten in der echten Mitte der demokratischen Gesellschaft suchen.
