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18.05.2024, 19:39 Uhr
Demokratien im Krieg – Israel
Das Kriegsziel muss sofort angepasst werden
Der Terrorangriff der Hamas auf Israel und seine demokratische Zivilgesellschaft vom 7. Oktober letzten Jahres hat Israel in eine gefährliche Situation gebracht. Aus meiner Sicht ist es jetzt überfällig auch von Seiten klarer und unerschütterlicher Unterstützer auf deutscher Seite das Folgende auszusprechen:

Israel muss die Einsatzziele Gaza umgehend anpassen: Das neue Ziel würde ich als doppelte Geiselfreilassung formulieren.

 

Der Terrorangriff der Hamas auf Israel und seine demokratische Zivilgesellschaft vom 7. Oktober letzten Jahres hat Israel in eine gefährliche Situation gebracht. Aus meiner Sicht ist es jetzt überfällig auch von Seiten klarer und unerschütterlicher Unterstützer auf deutscher Seite das Folgende auszusprechen:

Israel muss die Einsatzziele Gaza umgehend anpassen: Das neue Ziel würde ich als doppelte Geiselfreilassung formulieren.

 

·       Alle noch lebenden israelischen Geiseln, die sich momentan in der Gewalt der Hamas befinden, müssen so schnell wie möglich freigelassen werden

und

·       Gaza kann aus der Gewalt der Hamas freigelassen werden

 

Das Einsatzziel der Vernichtung der Hamas in Gaza wird dagegen aufgehoben.

Und vor allem muss die Position von Israel in der Staatengemeinschaft und die Lage der palästinischen Bevölkerung in Gaza, im Westjordanland und auch in Israel selber stärker in den Blick.

Eine sofortige Verhandlungswaffenruhe ist jetzt ein Gebot der Stunde!

Angriffe auf militärische Ziele der Hamas in Gaza sind weiterhin legitim, wenn die Hamas Verhandlungen verweigert oder Waffenruhen nicht einhält oder Geiseln tötet, aber sollten noch vorsichtiger und umsichtiger gemacht werden, als es in den vergangenen Monaten gemacht wurde – die zivilen Opfer der momentanen Kriegstaktik in Gaza sind zu hoch!

Und obwohl natürlich die Bedrohung des jüdischen Lebens außerhalb Israels, insbesondere in amerikanischen Metropolen und auf den diversen Universitätscampi der westlichen Welt absolut inakzeptabel sind, so ist ein gnadenloses Durchziehen der momentanen israelischen Regierung unter Benjamin Netanjahu nicht mehr zu rechtfertigen und schadet Israel und der Sicherheit von Jüdinnen und Juden weltweit.

Und das müssen die Ziele der Verhandlungen sein:

Die Freilassung der Geiseln der Hamas wird wieder an erste (zweite, dritte und vierte) Stelle gesetzt!

Das zweite Einsatzziel und jedes weitere Einsatzziel wird dahingehend revidiert, dass es dem ersten Ziel nicht im Weg steht.

Warum ist dieser Strategiewechsel so wichtig?

Für mich gibt es zwei Gründe, die beide direkt miteinander verbunden sind: Israel muss so viel wie möglich noch lebende Geiseln retten – eine auch nur indirekte Opferung von Geiseln für andere politische Ziele wäre ein ideologischer Triumph für die Scharfmacher auf Seiten der Hamas, die ja ihre eigene abgrundtiefe Skrupellosigkeit immer auch bei den demokratischen Gegnern insinuieren.

Und eine Vernichtung des Hamas-Kerns in Gaza ist ohne weitere Opfer bei den Geiseln, der Zivilbevölkerung von Gaza, der ausländischen Hilfskräfte und der Juden weltweit und der Unterstützer Israels nicht denkbar und nicht möglich.

Aber es ist vor allem auch nicht nötig: Denn das politisch-militärische zweite Ziel Israels sollte eine Entlassung Gazas aus der Gewalt der Hamas sein. Dies ist durch einen Abzug der Kernführung der Hamas (für die es keine Gnade geben kann) möglich. Verhandelt wird eine Freilassung von Kontingenten (z.B. 30 Geiseln) gegen jeweils einen Abzug des Kerns der Hamas aus Gaza.

Dem erweiterten Umfeld der Hamas-Kämpfer wird eine Generalamnestie angeboten, die außer Mord und Vergewaltigungen, insbesondere am 7. Oktober, alle militärischen und terroristischen Handlungen abdeckt: Mörder und Vergewaltiger, wenn sie nicht mit der Hamas-Führung ins Exil gehen, wird ein faires und auf Versöhnung orientiertes Verfahren zugesichert, wenn sie sich den israelischen Behörden stellen und ihre Taten gestehen und oder sich als Zeugen für die Verbrechen anderer Hamas-Terroristen oder deren Hintermännern zur Verfügung stellen (Blaupause: z.B. erfolgreiche deutsche RAF-Kronzeugenreglung).

Für den ins Exil gehenden harten Kern der Hamas und die sie unterstützenden Staaten oder Institutionen kann es dagegen nur eine grace period geben, die mehr oder weniger bis zum Abschluss des oben skizzierten Friedensprozesses gilt. Das Exil für die Hamas-Führung und der Terroristen, die mit ihr Gaza verlassen, darf in keinem Nachbarstaat Israels gewährt werden, insbesondere nicht im Libanon. Denkbare militärische Einsätze finden dann außerhalb Gazas und des Staatsgebiets Israels und des Gebietes der palästinensischen Selbstverwaltung statt.

Beide oben skizzierten Ziele sind durchsetzbar, wenn Israel Kompromissbereitschaft zeigt.

Das Kernziel: Sicherheit für des Staat Israel und seine Bewohner und Jüdinnen und Juden in Israel und weltweit wird so nicht nur nicht gefährdet, sondern gestärkt.

Denn das muss auch klar sein:

Zwar gilt das Existenzrecht Israels aus deutscher und europäischer Sicht auch unabhängig von der Staatsform, d.h. auch im Falle eines nicht-demokratischen Staates – die innere Legitimität, aber vor allem eine friedliche und stabile Langzeitperspektive hat Israel dagegen für mich nur als Demokratie, als Rechtstaat mit Freiheit und Toleranz für alle Bürger. Und auch nur als ein Staat, der in geeigneter Form, am besten sicherlich in der sogenannten Zwei-Staatenlösung, mit den Palästinensern ko-existiert, die nun mal in den palästinensischen Gebieten im Westjordanland und Gaza leben, aber die ja auch zu einem erheblichen Anteil Teil des israelischen Staatsvolks sind.

Obwohl ich mich momentan nicht gut mit der innerisraelischen Politik auskenne, so ist doch mein starker Eindruck, dass die aggressive Siedlungspolitik im Westjordanland und die fragwürdigen Manöver hinsichtlich der Gewaltenteilung innerhalb des israelischen Staats hier nicht in die richtige Richtung gehen.

Ein revidiertes Einsatzziel im Gazakrieg dagegen stärkt die Hoffnungen auf Perspektiven für Stabilität in der Region, plus eine Ahnung eines Weges in eine friedliche, gemeinsame Zukunft im Westjordanland, in Gaza und auch innerhalb Israels.

Noch ist es nicht zu spät.

 

Philipp Lengsfeld ist 1. Vorsitzender des Aktionsbündnis Demokratie und aktiv im liberal-konservativen Spektrum, den Kräften jenseits der Ampel, der Union und der AfD

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