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27.04.2024, 14:54 Uhr
Demokratien im Krieg – Ukraine
Eine liberal-konservative Mahnung
 
 

Demokratien im Krieg – Ukraine

 

Von Philipp Lengsfeld

 

Demokratie, die modernste Staatsform basierend auf Freiheit und Wettbewerb ist die Staatsform, die durch Fragen von Krieg und Frieden besonders herausgefordert wird.

Der imperiale Aggressionskrieg von Putins Russland gegen die freie und unabhängige Ukraine führt dies noch mal im Brennglas vor – politisch fest verortet im liberal-konservativen Lager möchte ich mit dieser Positionierung Grundsätze festzurren, insbesondere in Abgrenzung zu rechten und linken Radikalen. Guter Anlass ist die von mir sehr begrüßte Freigabe der Ukraine-Mittel durch den US Congress, wo Speaker Mike Johnson, Republikaner nach länger Abwägung in die Offensive geht, auch unter Gefährdung seiner eigenen Position.

Der wichtigste Punkt gleich zu Beginn: Demokratien führen keine Angriffskriege, Demokratien führen keine Expansions-, Vertreibungs- und erst recht nicht Vernichtungskriege. Der Kerngedanke des freien und demokratischen Europa ist ein friedliches Zusammenleben der Völker. Mit unseren transatlantischen Verbündeten hat das demokratische Europa zusammen mit der Türkei ein Verteidigungsbündnis der freien Welt, die Nato. Jeder Staat, der diesem Verteidigungsbündnis beitritt stärkt die freie, westliche Welt – dass durch Putins Krieg jetzt Schweden und Finnland Mitglieder der Nato sind, ist ein guter, vom Aggressor garantiert so nicht intendierter Effekt – das klassische Paradoxon von Autokratien: Sie erreichen durch ihre Handeln oft genau die Effekte, gegen die sie die ganze Zeit agitieren. Die Nato sollte perspektivisch auch auf die demokratischen Kräften in Asien ausgedehnt werden – Südkorea, Japan und Taiwan sind drei zentrale Säulen von Freiheit und Demokratie in Asien.

Die Aggression von Putins Russischer Föderation, befeuert von einer nationalistischen Staatskirche gegen die freie und unabhängige Ukraine zielt über die angegriffene Nation hinaus auf Europa und die Nato – wird die imperiale Aggression nicht gestoppt sind die nächsten Ziele, die Polen haben uns eindringlich gewarnt: Moldau, die baltischen Staaten, Polen und danach Deutschland. Es liegt offen zu Tage, dass wir keine Angst davor haben müssen „Kriegspartei“ zu sein – wir sind es längst: Der Angriff gilt der freien Welt und zwar vom ersten Tage an.

Und dies ist mir durch die zentrale Arbeit von Ilko Sascha-Kowalczuk über den ersten DDR-Diktator, dem sowjetisch-russischen Statthalter in Ostdeutschland, Walter Ulbricht, noch mal klar geworden: Obwohl die aktuelle russisch-nationalistische Propaganda und Desinformation noch etwas weniger subtil und damit noch durchschaubarer ist, als die massive sowjetisch-kommunistische Propaganda der Nachkriegszeit: Es ist letztlich frappierend ähnlich. Der ausgebildete KGB-Offizier Kommunist Waldimir Putin wendet das kommunistische Propagandawerkzeug einfach unverblümt an.

Die DDR-Kommunisten haben ihre diktatorische Herrschaft auf zwei propagandistische Säulen gestellt: „Frieden“ und „Antifaschismus“. Wer sich in der DDR für Freiheit und Wettbewerb, also für Demokratie einsetzte, wurde mit den Totschlagvorwurf erledigt, entweder gegen den Frieden oder für die Wiederkehr der NS-Zeit zu sein (am besten beides gleichzeitig).

Im Ukrainekrieg wird dieser Uraltwein einfach in neue russische Schläuche gekippt.

Aber warum wird das nicht deutlicher gesehen?:

Denunziation von Engagement für die Ukraine, inklusive aktive Unterstützung durch Waffen und Expertise als „Kriegstreiberei“?

Geht’s noch?

Wie unfassbar unverschämt kann man Agitation und Propaganda betreiben?

In dem vorliegenden Fall gibt es genau einen „Kriegstreiber“ und das ist der Führer im Kreml. Und natürlich sein enger Führungskreis, seine Armee, sein Geheimdienst, seine Propagandisten, seine Oligarchen, die Kirchenkriegsfürsten und die Mordbrigaden des tschetschenischen Diktators Kadyrow.

Wer in unserer freien Demokratie jemanden der z.B. die Lieferung des Waffensystems Taurus an die Ukraine in Abwägung aller Umstände befürwortet als „Kriegstreiber“ bezeichnet unterstützt letztlich Feindpropaganda.

Gleiches gilt natürlich für all die abstrusen „Nazi“-Anwürfe gegen die Ukraine, ihre gewählten Verantwortungsträger, gegen die ganze Nation und damit auch gegen die Unterstützer in anderen Ländern.

Verbietet sich ein populistisch-taktischer Einsatz eines „Nazi“-Vorwurf in Deutschland eigentlich eh von selber (es führt hier jetzt zu weit, aber wir sehen diese unsägliche Tendenz ja auch in unseren innerdeutschen Diskussionen), sollte eine Verstärkung oder eine Wiederholung eines solchen feindlichen Propagandavorwurfs im Kontext eines imperialen Angriffskrieges gegen ein freies Volk, also in der gegebenen Situation, sich absolut und komplett verbieten.

Fairerweise muss man feststellen, dass diese Art tatsächlicher Kriegstreiberpropaganda momentan in der Regel im deutschen Diskurs nur in ganz wenigen extremen Ausnahmen betrieben wird. Sorgen wir dafür, dass dies auch so bleibt. Diese Art Feindpropaganda darf in Deutschland keine Früchte tragen.

Und auch die Diskussion über angebliche Bedrohung Russlands durch die Nato oder eine Ausdehnung der Nato kann ich nur als platteste Übernahme von feindlichen Narrativen einstufen.

Trotzdem muss man nicht weit Richtung AfD oder BSW oder auch den radikal-linken Teil der Linkspartei schauen um genau diese Positionen zu finden.

Und was ist mit der deutschen Angst?

Müssen wir nicht Angst vor einem Weltuntergang, Stichwort Atom-Armageddon haben?

Vielleicht merken Sie es schon an meinem leicht sarkastischen Ton: Appeasement eines Aggressors ist leider eine historisch-empirisch äußerst schlecht belegte „Strategie“ – im Falle von Putins Russland wäre es suizidal. Und mit den ewigen Weltuntergängen ist es nun langsam auch mal genug. Lass die 70er und 80er Jahre endlich ruhen – sie sind jetzt über 40 Jahre her.

Neben Nazi-Denunziation und absurden „die-Nato-und-die-USA-sind-eigentlich-schuld“-Narrativen ist das Spielen mit der Angst das dritte Standardwerkzeug der feindlichen russisch-imperialen Staatspropaganda.

Ich will es mal klar sagen: Wer sich Angst machen lässt oder noch schlimmer, die Angstmache der Feindpropaganda verstärkt, wird verlieren.

Wir dürfen keine Angst haben, wir dürfen uns keine Angst machen lassen, sondern wir müssen Stärke zeigen:

Die Ukraine braucht dringend das Taurus-Waffensystem um die Logistik des Angreifers zu stören, z.B. durch Zerstörung der zentralen Versorgungsbrücke der Krim? Welches klarere Signal der demokratischen Resilienz könnte Deutschland senden, als endlich diese völlig berechtigte Bitte, Forderung eine zukünftigen EU-Mitglieds und hoffentlich auch bald Nato-Partners zu erfüllen?

Putin hat immer und immer wieder bewiesen, dass er vor Stärke Respekt zeigt und dass ihn Schwäche zu mehr Untaten reizt.

Die Stärke von Demokratien resultiert vor allem aus der Stärke der besseren Analyse: Putins Russland hat keinen Grund (und erst recht keine Notwendigkeit) zur Eroberung von Odessa, Kiew, Chişinău, Tallin, Riga, Vilnius, Warschau, Krakau, Dresden oder Berlin.

Was immer Putin hier antreibt, rational ist es nicht und es kann deshalb nur gestoppt werden.

Trotzdem müssen wir genau auf das Machbare schauen – ein Regimewechsel in Russland, so sehr Europa den braucht und herbeisehnt, wird es nicht über Krieg geben.

Die Ukraine und Europa will und braucht Waffenstillstand und Sicherheit.

Kein Demokrat ist ein „Kriegstreiber“, aber auch kein Demokrat ist gegen Verhandlungen.

Die Frage ist nur, wie wir zu den Verhandlungen kommen. Und natürlich werden Kompromisse gemacht werden müssen – erste Ideen („Land gegen Frieden, Sicherheit“) gibt es ja schon.

Wir werden Putin diese Verhandlungen abzwingen müssen: Deshalb braucht die Ukraine alle Unterstützung zur Verteidigung ihres Territoriums und der Schwächung des Feindes.

Wenn die Waffen schweigen und Verhandlungen beginnen werden wir gemeinsam eine Lösung finden.

Und auf Dauer gilt: Ohne Freiheit kein Frieden – wenn wir Kherson, Mykolaiv, Odessa in Freiheit halten, wird sich mittelfristig die tiefe Wahrheit dieses Punktes auch in den momentan von der Russischen Föderation besetzen Gebieten bewahrheiten.

Demokratien starten keine Aggressionskriege. Freiheit, Demokratie und Frieden sind das Stabilitätsdreieck einer modernen Gesellschaft. Und genau das ist auch der Grund, warum Freiheitsstaaten nicht dauerhaft durch Krieg zerstört werden können.

 

Zeigen wir Putin, dass Europa ein echter Freiheitsverbund ist.

 

Philipp Lengsfeld ist 1. Vorsitzender des Aktionsbündnis Demokratie und aktiv im liberal-konservativen Spektrum, freiheitlich-demokratische Kräfte jenseits der Ampel, der Union und der AfD

 

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