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22.10.2018, 07:15 Uhr
Hurra, die Zeitumstellung verschwindet - her mit der ganzjährigen Normalzeit
Gedanken zum Ende der Zeitumstellerei


Die unsägliche Zeitumstellerei, mit der seit Anfang der 80ziger in Deutschland und Europa rumexperimentiert wurde, verschwindet endlich. Eine wirklich gute Nachricht, denn die Zeitumstellerei war ein Klassiker aus der Kategorie: ‚Vielleicht irgendwie gut gemeint, aber am Menschen vorbei social engineered‘. Die Idee war wohl durch längeren Sonnenschein die Produktivität zu erhöhen oder Energie zu sparen. Beides hat definitiv nicht funktioniert. Der regelmäßige Mini-Jetlag und der ganze unnötige Aufwand hat die eh nicht wirklich vorhandenen positiven Effekte der längeren Sommernächte komplett in den Schatten gestellt.

 

Die Zeitumstellerei fällt weg, bleibt leider noch die Frage nach der Standardzeit, die für mich aber gar keine echte Frage ist: Jeder der darüber etwas nachdenkt, wird die Antwort unausweichlich finden. Der Mensch richtet sich nun mal biologisch nach der Sonne. Deshalb versucht man die Zeitzonen in der Regel so zu legen, dass der maximale Sonnenstand ‚high noon‘ rund um die berühmten 12:00 Mittag liegen. Ausnahmen sind immer politisch. So leistete sich Nordkorea eine um 30 Minuten verschobene Zeitzone zu Südkorea um die Teilung zu zementieren (wurde letztens als Geste der Annäherung abgeschafft). Und in China gilt die Pekinger Einheitszeit im ganzen Land, damit man auch in der letzten Provinz genau weiß, was die Uhr in der Zentrale geschlagen hat.

In Deutschland ist die Sonnenzeit, die Normalzeit die MEZ, die mitteleuropäische Zeit, normiert nach dem 15. Längengrad. In Deutschland ist der Referenzort Görlitz. Für die Diskussion um die ganzjährige Standardzeit ist die folgende Tabelle hilfreich, die die 2018er Berliner Werte für Sonnenaufgang und Sonnenuntergang enthält.
 

Der Blick auf diese Tabelle macht eines sofort klar: Da unsere Schichtarbeits-, Schul- und Kinderbetreuungszeiten auf die Sonnenzeit orientiert sind, wären Kinder, Familien und ‚normale‘ Werktätige die ganz großen Verlierer einer ganzjährigen Sommerzeit. Ein regulärer Schulbeginn gegen 7:00 oder 7:30, selbst noch um 8:00 würde regelmäßig wochenlang in stockfinsterer Winternacht stattfinden. Hier vermisse ich auch eine klare Positionierung z.B. der GEW. Die ganzjährige Sommerzeit ist in den Wintermonaten also ein Alptraum und vollkommen unnötig. Gefährlich für Körper und Psyche. Und dies war natürlich genau der Grund, warum sämtliche ganzjährigen Sommerzeitexperimente (zuletzt in Russland, davor in UK, zu Kriegszeiten in Deutschland) nach kurzer Zeit wieder abgebrochen wurden.

 

Dagegen kann man den Fans der lauen Sommernächte nur sagen: Der früh anmutende Sonnenaufgang im Sommer ist kein Problem – es kann sogar ein schöner Start in den Tag sein, wenn man mal schon um 5:00 oder 6:00 aufsteht. Und die berühmten Abende? Habe hier das Problem nie verstanden: Man kann die schönen Berliner Abende am Kollwitzplatz oder dem U-Bahnhof Birkenstraße doch in vollen Zügen genießen (gilt auch für alle anderen Orte Deutschland). Man muss halt nur etwas früher anfangen, z.B. um 19:00 – kein Problem, wenn man schon um 8:00 im start-up-Büro ist. Und um 22:00 gilt eh der Lärmschutz, insofern wird sich die Latte-Macchiato-Fraktion ganz schnell an diese neuen Bedingungen gewöhnen.

 

Es gibt keinen vernünftigen Grund in Deutschland etwas anderes als die ganzjährige Normalzeit, Sonnenzeit, oder schlicht die MEZ einzuführen.

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